Das erste Topspiel der Europameisterschaft 2024 ist gespielt. Die Partie hieß Spanien gegen Kroatien. Hinsichtlich der Fans waren die Kroaten den Spaniern im Berliner Olympiastadion weit überlegen. Auf dem Platz ließ sich aber anderes beobachten. Die spanische Nationalmannschaft führte bereits nach Ende der ersten Halbzeit mit 3:0 gegen die kroatische Elf. Über große Strecken war der Spielverlauf jedoch nicht so eindeutig wie das Ergebnis. Auch die Kroaten hatten gute Torchancen, die sie nur eben nicht so eiskalt ausnutzten wie die Spanier. Wir erklären Ihnen, wie die beiden Mannschaften auftraten.
Tiki-Taka?
Das altbekannte Tiki-Taka, für das die spanische Nationalmannschaft neben dem FC Barcelona über die letzte Dekade bekannt war, ist tot. Es ist dem spanischen Nationaltrainer Luis de la Fuente zum Opfer gefallen. Dieser hat genug von den unendlich vielen Kurzpässen und minutenlangem Ballbesitz. Das geht so weit, dass die Spanier heute gegen Kroatien ihren 16 Jahre langen Lauf von 136 Spielen am Stück mit mehr als 50% Ballbesitz, der im EM-Finale 2008 gegen Deutschland begonnen hat, beendeten.
Das moderne spanische Spiel
Die Spanier treten im defensiven 4-3-3 auf. Mit Ball wandelt es sich zu einem 2-3-2-3, bei dem sich Spielmacher Rodri je nach Situation auf Innenverteidiger-Höhe fallen lässt oder die Position zwischen den Außenverteidigern hält. Unabhängig davon, ob nun einer der beiden Innenverteidiger Robin Le Normand und Nacho Fernández oder Sechser Rodri das Spiel aufbaut, gelten die gleichen Prinzipien, die sich gegen die Kroaten beobachten ließen.
Zu Beginn wird lange vorbereitet. Der Ballführende hält den Ball oder lässt ihn mit Mitspielern auf gleicher Ebene zirkulieren. In den letzten Testspielen vor EM-Beginn nahmen Robin Le Normand und Nacho Fernández eine sehr hohe Position ein. Zu einem Spielaufbau in der gegnerischen Hälfte kam es gegen die Kroaten nicht direkt. Auf diese Höhen mussten sich die Spanier vorkombinieren. Die Kroaten zeigten direkte Gegenwehr und liefen die Spanier hoch an. Immer wieder versuchten Ante Budimir und der einschiebende ballferne Außenspieler des 4-3-3 (zu Beginn des Spiels Andrej Kramarić über links und Lovro Majer über rechts), die spanischen Aufbauspieler unter Druck zu setzen, was jedoch nicht gelang. Die beiden Achter Luka Modrić und Mateo Kovačić sicherten nämlich primär zentral ab, wodurch eine Station der spanischen zweiten Ebene immer anspielbar war.
Mit Dani Carvajal und Marc Cucurella waren die Spanier in dieser zweiten Ebene mit zwei offensiv-ausgeglichenen Außenverteidigern aufgestellt, die besser in das System de la Fuentes passen als beispielsweise der Leverkusener Alejandro Grimaldo. Rodri auf der Sechs hingegen ist als strategischer und außergewöhnlich ballsicherer Spieler auch mit wenig Platz anspielbar.
Vor dieser zweiten Ebene bewegten sich die Offensivspieler Spaniens ununterbrochen zwischen den Linien der Kroaten. Auf das lange Vorbereiten und hohe Andribbeln der spanischen Aufbauspieler folgte in den Testspielen vor Turnierbeginn ein blitzartiges Vertikalspiel. Anspielstationen im Zentrum wurden gesucht und zumeist gefunden, wenn gegnerische Spieler den passenden Pressingmoment suchten und daraufhin überspielt wurden. Dort angekommen, fanden Steil-Klatsch-Kombinationen mit vertikalen und halbdiagonalen Bällen statt, um möglichst schnell Tiefe zu generieren. Gegen die Kroaten gestaltete sich dies eher schwer bis zur 29. Minute, in der Spanien-Stürmer Álvaro Morata zwischen der kroatischen Innenverteidigung einläuft und vom passsicheren Rodri bedient wird. Der Stürmer macht seinen Job und schiebt zur 1:0-Führung ein.
Direkt nach Wiederanstoß verpasst Ante Budimir am zweiten Pfosten nur knapp den Ausgleich nach Direktabnahme einer Flanke von der linken Außenbahn. Nur vier Minuten nach dem Führungstreffer tanzt Fabián Ruiz Kroatiens Marcelo Brozović und Luka Modrić im eigenen Strafraum aus und schließt zum 2:0-Doppelschlag in die rechte untere Ecke ab. Das gelingt aus kroatischer Sicht gegen zwei so erfahrene Spieler eindeutig zu einfach.
Wiederum nur eine Minute später gelingt den Kroaten in Person von dem zuvor schwach verteidigenden Marcelo Brozović beinahe der Anschlusstreffer. Aus 16 Metern schließt er in Ruiz-Manier in die rechte untere Ecke ab. Unai Simón pariert jedoch mit einem Top-Reflex. Auch Lovro Majer kann den seitlichen Abpraller Unai Simóns nicht verwerten. In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit passiert dann Historisches: der jüngste Spieler der EM-Geschichte, Lamine Yamal, legt für Dani Carvajal zum 3:0 auf.
Die zweite Halbzeit verläuft vergleichsweise unspektakulär. Ein verschossener Elfmeter von Bruno Petković, den Unai Simón ein weiteres Mal nach rechts abwehrt, von wo aus das eingewechselte Bundesligaurgestein Ivan Perišić für den Fehlschützen auflegt, der dann nur noch vollenden muss. Aber auch so gelingt den Kroaten der Anschlusstreffer nicht, da Ivan Perišić zu früh einläuft.
Was hat den Kroaten gefehlt?
Mehr Mut im Pressing hätte der kroatischen Mannschaft mit Sicherheit gutgetan. Das spanische Aufbauspiel ist extrem risikobehaftet. Nach einem Ballverlust im Aufbau würden den Kroaten im Umschaltspiel alle Türen offenstehen. Ungestört oder zumindest in Überzahl hätte man die Spanier in Folge eines strukturierten Pressings überfallen können.
Der Wille war am Ende einfach nicht groß genug, die Möglichkeiten für ein Tor waren auch auf kroatischer Seite durchaus da. Mit der Chancenverwertung kann und wird Zlatko Dalić nicht zufrieden sein. Dennoch stehen der Kroatenelf immer noch alle Türen offen. Gerade in dieser Gruppe kann alles passieren.
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